Vereinsrecht bietet Alternativen
21. February 2021
Mitgliederversammlungen können ohne Satzungsänderungen auch digital abgehalten werden
21.02.2021 - Für die einen ist sie lediglich eine lästige Pflicht, für die anderen eine ruhmreiche Kür, für alle aber ist sie vorgeschrieben: Die ordentliche Mitgliederversammlung. In der Regel einmal pro Jahr lädt der Vorstand alle Vereinsangehörigen ein, berichtet aus seiner Tätigkeit, bittet um Entlastung, stellt den Kassenbericht zur Abstimmung, bemüht sich mitunter auch um Wahlsieg oder Amtsniederlegung und stellt die Weichen für die Zukunft. Das ist derzeit schwierig. Weil der Gesetzgeber aufgrund der Pandemie größere Zusammenkünfte verbietet, erlaubt er jetzt aber Alternativen. Und die werden genutzt. Die Lüneburgerin Ute "Mimi" Lühr, die auch als Spielerin in den DHB-Mastersteams aktiv ist, hat dies einmal ausführlich recherchiert und für hockey.de zur Verfügung gestellt.
Sieht das Vereinsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch vor, dass die jährlichen Treffen nur als Präsenzversammlung möglich sind, die Mitglieder nur dort ihre Rechte ausüben können, ermöglicht ein ergänzendes Gesetz seit März vergangenen Jahres auch die Teilnahme per Videoschaltung. Eine Satzungsänderung ist dafür nicht notwendig. Zudem – und das ist ebenfalls neu – können alle ihr Stimmrecht ausüben, virtuell oder vorab schriftlich. Das war bislang in der Regel nur denen vorbehalten, die auch körperlich anwesend waren.
Machten davon im vergangenen Jahr nur die wenigsten Gebrauch, finden die neuen Möglichkeiten nun langsam Freunde – allen voran im Stadtfeuerwehrverband Lüneburg. Hier soll am 5. März die erste digitale Mitgliederversammlung stattfinden. Per YouTube. „Bei uns sind rund 700 Männer und Frauen organisiert“, erklärt Verbandsvorsitzender Erich Hansen, „da sind die gängigen Videokonferenzmöglichkeiten aufgrund der großen potentiellen Teilnehmerzahlen ausgeschlossen.“
Mit Fachleuten aus den eigenen Reihen werden deshalb Ton und Bild minimalst zeitversetzt übertragen, Fragen können schriftlich gestellt werden, ein Kamerad überbringt sie während der laufenden Veranstaltung den Rednern. Eine Dreiviertelstunde soll die virtuelle Zusammenkunft dauern, 150 Kameraden und Kameradinnen haben sich bereits angemeldet. Sie werden dann auch Zeugen der Wahlen werden: „Wir haben im Vorfeld die Unterlagen zur Abstimmung über verschiedene Posten allen Mitgliedern zukommen lassen“, erklärt Hansen, „Ausfüllen und Rücksenden erfolgt wie bei einer Bundestagswahl.“
Dieses ist aber nur eine Alternative, die den Vereinen nun zur Verfügung steht, eine weitere hat der Gesetzgeber im Angebot: Die Beteiligten nehmen über ein elektronisches Kommunikationsmittel, idealerweise ein Videokonferenztool, an der Versammlung teil und üben ihr Stimm- und Rederecht hierüber aus. Allerdings, und das geben Anwälte zu Bedenken, sei hier ein gewisser Spielraum für Missbrauch gegeben, ließe sich doch nicht immer nachprüfen, ob es tatsächlich auch nur Mitglieder sind, die ihre Hand zur Abstimmung heben.
Briefe aufsetzen, Technik einrichten, Links verschicken - nicht jeder Verein hat aber die zeitlichen und personellen Ressourcen für solch ein Angehen, oftmals fehlen auch notwendigen Voraussetzungen in den Haushalten. Deshalb nutzen viele die dritte Möglichkeit, die der Gesetzgeber zusätzlich zum ergänzenden Recht seit Dezember vergangenen Jahres ihnen bietet: Sie verschieben einfach. Das hat auch der Turn- und Sportverein Brietlingen für sich entschieden. „Ursprünglich hatten wir unsere Mitgliederversammlung im vergangenen März geplant“, berichtet dessen Vorsitzender Frank Hahn, „die musste abgesagt werden.“ Der neue Termin im November fiel der Pandemie erneut zum Opfer. Ein weiterer wurde nicht angesetzt.
„Wir warten jetzt erstmal ab, wie sich die Lage entwickelt,“ sagt Hahn, „denn eine Präsenzveranstaltung ist derzeit nicht möglich.“ Rund 70 bis 80 der etwa 1000 Mitglieder zählt der Verein regelmäßig bei seiner wichtigsten Zusammenkunft – unter Corona-Bedingungen sogar für eine Sporthalle zu viele. „Die digitale Alternative stellt sich für uns aber nicht“, sagt der Vorsitzende, „wir haben sehr viele Ältere, die sich an den Versammlungen rege beteiligen, denen für eine virtuelle Option einfach die Technik fehlt.“
Das ist auch beim Gemischten Chor Reppenstedt das Problem: „Wir sind ein großer Verein mit 50 aktiven und 35 passiven Mitgliedern“, erzählt Vorstandsvorsitzender Burkhard Edler, „viele älteren Semesters. Da mangelt es mitunter an der Technik.“ Schon im vergangenen Jahr musste der Verein seine Mitgliederversammlung absagen, fand für die große Zahl der Interessenten keine geeigneten Räumlichkeiten. „Da sind die Auflagen einfach zu hoch.“ Erst wenn die Abstandsregeln gelockert würden, setze der Chor das Thema wieder auf die Agenda. „Hoffentlich noch in diesem Jahr.“
Führungslos sind die Vereine aber deshalb nicht – auch wenn die Amtszeit eines Vorstandsmitglieds abläuft, ein neues aufgrund der Corona-Umstände nicht gewählt werden kann. „Ein Mitglied des Vorstands (…) bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt“, heißt es im neuen Gesetz, das in weiten Teilen bis Ende 2021 gilt (http://www.gesetze-im-internet.de sowie die weitere Ergänzung vom 15.12.2020 https://dip21.bundestag.de)