Open-Space-Veranstaltung des DHB-Leistungssports in Köln identifizierte wichtige Themen
"In der Weltspitze überleben"
08. November 2018
08.11.2018 - Am Montag hat der Leistungssport des Deutschen Hockey-Bundes bei einer Open-Space-Veranstaltung in der Deutschen Sporthochschule Köln mit Vertretern zahlreicher Institutionen, Verbände und Vereine über das Thema „In der Weltspitze überleben“ diskutiert. Auf Einladung von DHB-Vizepräsidentin Marie-Therese Gnauert, Sportdirektor Heino Knuf und Ulrich Forstner, Bundestrainer Wissenschaft, waren unter anderem Gäste von DOSB, Sporthilfe, sportwissenschaftlichen Instituten, Bundes-, Landes- und Vereinstrainer, Vereinsvertreter, Medien, DHB-Vertreter der unterschiedlichen Bereiche und nicht zuletzt Nationalspieler und Eltern von Auswahlspielern eingeladen, mit ihren Sichtweisen und Ideen auf die aktuellen Herausforderungen im Leistungssport zu schauen und mitzudenken.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Open-Space-Moderator Wolfgang Himmel und mit begleitet von Prozess-Coach Dr. Wolfgang Klöckner, mit dessen Unterstützung beim DHB bereits das Projekt „NextCoach“ entstanden ist, mit dem seit 2014 die Aus- und Weiterbildung der Auswahltrainer den Anforderungen des modernen Leistungssports angepasst wurde. In drei Workshops, die den drei Säulen des Hockey-Leistungssports Bundesliga, Nationalteams und Nachwuchs-Leistungssport entsprachen, wurde am Vormittag auf die aktuellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen geschaut.
Den Workshop Bundesliga leiteten Hanns-Peter Windfeder und Dirk Wellen, die Präsidenten der Erstliga-Clubs Uhlenhorst Mülheim und Crefelder HTC, die zurzeit mit anderen Bundesliga-Vertretern und begleitet vom DHB ein Konzept für eine Professionalisierung der 1. Bundesligen – eventuell einhergehend mit einer Auslagerung in eine eigenständige GmbH – erarbeiten. Das Thema „Nationalteams“ wurde von Herren-Bundestrainer Stefan Kermas angeleitet, der mit seinen Workshop-Teilnehmern die speziellen Herausforderungen in den Blickpunkt nahm, die im Umfeld Schule, Verein, Ausbildung/Studium und Beruf zurzeit auf die Leistungssportkarriere der Aktiven Einfluss haben. Im Bereich Nachwuchs-Leistungssport war es der für die Teams U16 bis U21 zuständige-Bundestrainer Valentin Altenburg, der mit seinen Teilnehmern auf alle Aspekte und Einflussfaktoren bei der Talent-Sichtung und -Ausbildung sowie Weiterentwicklung in die A-Nationalteams schaute.
Insgesamt wurden in allen Bereichen viele Stellschrauben und Handlungsansätze identifiziert, die sich der DHB-Leistungssport nach der ausführlichen Sichtung der Ergebnisse zur Umsetzung vornehmen wird. Dazu gehören Themen wie bessere Vernetzung im Bereich der Laufbahnberatung für Leistungssportler zwischen Verband, Olympiastützpunkten, Landestrainern und Vereinen oder frühere Identifikation von potenziellen Arbeitgebern, die bereit sind, Leistungssportler bereits während ihrer aktiven Karriere zu unterstützen und am Ende ihrer Ausbildung mit all den Qualitäten, die sie als Weltlasse-Sportler mitbringen, zu übernehmen.
Es wurde aber auch in allen Bereichen deutlich, dass das System des Hockey-Leistungssports in Deutschland durch mehrere Faktoren derzeit an einem Punkt steht, an dem es in verschiedene Richtungen weiterentwickelt werden soll oder muss, ohne dass sich die vorhandenen Ressourcen, wie Anzahl der Sportler, der im Jahr zur Verfügung stehenden Spieltage oder der zur Verfügung stehenden Fördermittel, entscheidend verändern. Im Bereich der Nationalteams kommt mit der Einführung der Hockey Pro League durch den Weltverband eine zusätzliche Belastung heraus, die Olympia-Bronzegewinner Timur Oruz im Falle einer Teilnahme an allen Spielen auf 119 Lehrgangstage mit dem Nationalteam hochrechnete. Gegenläufig möchte sich die Bundesliga – auch mit absoluter Berechtigung – in Richtung Professionalisierung weiterentwickeln und plant dabei – ohne dass ein Spielsystem endgültig identifiziert ist, damit, dass die Nationalspieler bei allen Feld-Bundesligaspielen in ihrem Team mitspielen sollen, um das zu vermarktende Produkt nicht zu schwächen.
Letztlich war es dann keine Überraschung, dass sich in allen drei Workshops herauskristallisierte, dass von allen Seiten an den Aktiven „gezerrt“ werde, die darüber hinaus noch mit einer weiteren Entwicklung zu kämpfen haben. Durch die starke Verschulung des Studienwesens in Deutschland, das hohe Anwesenheitspflichten erzeugt, ist das System der „Dualen Karriere“ heute nicht mehr so einfach wie noch vor fünf Jahren. Selbst an so genannten Partner-Universitäten des Leistungssports bekomme man die Ansage, dass man bei mehr als zwei Fehltagen an Klausuren nicht teilnehmen könne, erzählten die Nationalspieler Lisa Altenburg und Johannes Große – eben weil es einzelne Dozenten nicht interessiere oder diese argumentierten, dass man mit Blick auf die Kommilitonen keine Ausnahmen zulassen könne.
Zu diesem Punkt gaben die Spezialisten von DOSB zwar Hinweise auf reguläre Möglichkeiten einer sogenannten „Studienstreckung“ in einigen Studiengängen, aber zum Beispiel in den Fachbereichen Medizin oder Jura, was zurzeit etwa ein Drittel des deutschen Herrenkaders betrifft, gibt es solche Anpassungen nicht.
Uli Forstner bringt es auf den Punkt: „Die sehr hohen Ansprüche an eine leistungssportliche und berufliche Karriere unserer Spielerinnen und Spieler stellen die Thematik Duale Karriere in den Mittelpunkt der Bemühungen auf allen Ebenen - Vereine, Landesverbände, Bundesliga, Nationalteams – und müssen zu sofortigen Konsequenzen führen, um weiterhin eine attraktive Bundesliga zu haben und gleichzeitig ein Überleben der Nationalmannschaften an der Weltspitze möglich zu machen.“
Neben dieser Problematik bezüglich der Athleten-Kapazitäten wurden am Nachmittag in Gruppen auch Themen wie eine möglichst frühe und effiziente beratende Begleitung von Talenten über die Zyklen Tokio 2020 und Paris 2024 hinaus zu gewährleisten. Unter anderem stellt sich die Frage, ob und wie Schulen des Leistungssports für Hockey-Schüler und -Eltern attraktiver werden könnten, aber auch wie der Erstkontakt im Bereich der Landesverbände für Talente besser gestaltet werden könnte. In einem anderen Kreis ging es um die Vereinbarkeit der Visionen von Nationalmannschaften und Bundesliga und auch darum, ob sich die Leistungsfähigkeit gegenseitig beeinflusst.
Letztlich zogen Marie-Therese Gnauert, Heino Knuf, aber auch DHB-Präsident Wolfgang Hillmann ein sehr positives Fazit von der Veranstaltung. Stefan Kermas brachte es mit seinem Schlusswort auf den Punkt, als er sagte: „Wir müssen das in allen Gremien und Bereichen nutzen, dass wir so ein diverses, hoch qualifiziertes Netzwerk an Partnern, Institutionen, Spielern und Eltern haben, weil es einem den Blick auf die Herausforderungen immer wieder öffnet, wenn man sie von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet.“