#SportPride

“Wir wollen, dass alle Menschen unseren Sport ausüben können”

29. July 2023

Am heutigen Tag findet die Aktion #SportPride statt. Sportvereine und Verbände, Fans und Sportler*innen können sich über die Hashtags #SportPride und #SportPride2023 für Sichtbarkeit und Unterstützung von LSBTIQ* im Sport solidarisch zeigen. Bereits seit März 2021 gibt es beim Deutschen Hockey-Bund die offizielle Regelung, dass Feldhockey-Spieler*innen bei ihren Landesverbänden den Antrag stellen können, dass sie z.B. vom männlichen in den weiblichen Spielbetrieb wechseln. Das bedeutet konkret, dass eine weiblich geborene Person, die sich dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlt, dies ohne Probleme auf dem Hockeyfeld ausleben kann und anders herum. Zu verdanken ist die Öffnung des Hockeysports der Initiative von Stichweh und Weisel. Durch die beiden Akteure gilt der Deutsche Hockey-Bund als Vorreiter bei der Integration von trans*Personen in den Spielbetrieb. Wir haben mit den Beiden gesprochen.

Ausgangspunkt war es, eine praxistaugliche Lösung für den Kinder- und Jugendsport zu finden", berichtet Wibke Weisel, Jugendsekretärin des Deutscher Hockey-Bundes, zu Beginn des Gesprächs. Gemeinsam mit Carl Stichweh und Johannes Anzeneder aus dem Bundesjugendvorstand beschäftigt sie sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Thema „trans- und intergeschlechtliche Menschen” im Deutschen Hockey-Bund.

Mir war eigentlich relativ egal, mit wem ich spiele, Hauptsache ich spiele auf dem höchsten Niveau

Carl Stichweh ist 21 Jahre alt, studiert Medizin in Heidelberg und spielt seit der Grundschule Feldhockey. Stichweh ist ein trans*Mann, das heißt, ihm wurde bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen, er identifizierte sich aber als Junge bzw. Mann. Stichweh hat als Torhüter alle Stufen außer der DHB-Auswahl durchlaufen und spielte jahrelang in Mädchen- und Frauenmannschaften Hockey. Seine Teammitglieder und Trainer*innen bekamen den Prozess seiner Identitätsfindung natürlich mit. Überraschungen gab es nur wenige, als Stichweh zu einer Herrenmannschaft wechselte: „Als ich mich dazu entschloss, die Hormontherapie zu absolvieren, habe ich meine Mannschaft darüber informiert und meinte, dass es vorerst meine letzte Hallensaison mit ihnen sei. [...] Die Hockey-Community ist generell sehr offen. Aus diesem Bereich habe ich kaum negative Dinge erfahren”, berichtet Carl Stichweh. 

Seinen Wechsel in die Herrenmannschaft beschreibt Stichweh im Gespräch, wie folgt. „Ich bin davon ausgegangen, dass ich, wenn ich eine Hormontherapie anfange, die Mannschaft wechseln müsste. So sind Wibke und ich auch in Kontakt gekommen. Mir war eigentlich relativ egal, mit wem ich spiele, Hauptsache ich spiele auf dem höchsten Niveau, auf dem ich spielen kann. Ein Wechsel wäre bereits vor der Änderung des Personenstatus möglich gewesen, ich habe mich aber freiwillig dagegen entschieden, um zunächst auf dem hohen Niveau und in meiner Mannschaft zu bleiben. Im neuen Herren-Team war es nie Thema und es hat keine Rolle gespielt."

Der Deutsche Hockey-Bund als Vorreiter

Doch was genau hat der DHB unternommen, damit Transpersonen in der Mannschaft spielen können, der sie sich zugehörig fühlen und wie sind erste Berührungspunkte mit diesem Thema entstanden? Bereits 2018 begann der aktuelle Prozess: “Die Landesverbände, bei denen das Passrecht beim DHB liegt, fragten bei mir an, wie sie mit Anfragen umgehen sollen, wenn Kinder und Jugendliche für sich feststellen, dass sie im falschen Spielbetrieb gemeldet sind. Also sind sie z.B. bei den Mädchen gemeldet und wollen aber bei den Jungs spielen und andersrum”, berichtet Weisel. Anschließend beschäftigte sich der DHB in einer Arbeitsgruppe das erste Mal konkret mit dem Thema.  „Uns ist bewusst, dass wir die Regelungen für eine relativ kleine Zielgruppe erarbeitet haben. Es war für uns nur wichtig, egal wie groß die Zielgruppe ist, dass sich jeder im Hockey wohl fühlt”, führt Weisel aus. In Vorbereitung der DHB-Regelungen haben Weisel und Stichweh mit Teilnehmenden der BundesNetzwerk Tagung queerer Sportvereine (BuNT) und dem Berliner Fußball-Verband gesprochen, bei dem es bereits eine Regelung gab. Für den Hockeysport konnte in einer Arbeitsgruppe eine vereinfachte Regelung erarbeitet werden. 

Warum es wichtig ist eine Regelung für trans*Personen zu haben

In Weisels Position als Jugendsekretärin ist es elementar, möglichst vielen bzw. nach Möglichkeit allen Kindern und Jugendlichen Spaß am Sport zu vermitteln und die Teilnahme zu ermöglichen. Weisel berichtet: „Wir haben ein paar offene Themen und eines davon war relativ lange dieses Thema, ein anderes, das wir jetzt gerade verstärkt in Angriff nehmen, ist die Integration. Wir wollten vorankommen und im Prozess ist deutlich geworden, dass die Regelung dem Hockey leicht gefallen ist. Für meinen Job als Jugendsekretärin ist es mir wichtig, dass ich kein Kind oder Jugendliche verlieren möchte, weil die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind.” 

Diese Regelung gibt es beim DHB

Wibke erläutert, dass die Personen sich zunächst an den Landesverband wenden, denn die Passhoheit liegt dort. Beim Landesverband muss der Personenstatus nachgewiesen werden. Die Hürden sind dabei im DHB recht gering. Wenn es eine Interperson ist, dann könnte z.B. im Ausweis “divers” oder “nichts” als Eintrag für das Geschlecht stehen. „Wenn jemand eine trans*Person ist, ist es sehr unterschiedlich, da gerade die Jüngeren häufig nicht so weit sind, dass es im Pass steht, da gibt es dann andere Formen. Hier könnte man z.B. ein Schreiben von dem begleitenden Arzt vorlegen oder du kannst von der DGTI einen Ergänzungsausweis, der inzwischen auch von der Polizei erkannt wird, vorlegen”, ergänzt sie.

Fotocredits: J. Stein

Der Fall des Wechsels vom Herren- ins Damen-Hockey

Bisher hatten sowohl Weisel als auch Stichweh nichts mit einem solchen Fall zu tun. Weisel geht aber davon aus, dass diese Personen sich nicht „sonderlich auffällig aufführen und aus ihrer eigenen Größe oder Kraft extremen Vorteil ziehen werden, da sie sich anders und neu identifizieren.” Zudem sei der Prozess des Outings sehr lang, schwierig und aufwändig, das kommt bei der Einordnung immer dazu. Stichweh fragt sich in der Diskussion, ob die Personen einen Vorteil hätten: „Um wirklich gut Hockey zu spielen, muss man gut im Team integriert sein und mit der Mannschaft zusammenspielen können. Wenn es um den hochklassigen Leistungssport geht, bringt mir ein potentieller biologischer Vorteil vielleicht auch gar nichts. Groß und breit zu sein alleine bringt mich im Hockey nicht automatisch weiter.” 

Was sind die nächsten Schritte

Nachdem die formalen Regelungen getroffen sind, erläutert Carl Stichweh, dass es eine aktuell schwer zu verändernde Realität gibt, die auch benannt werden muss: „Es gibt im Sport grundsätzlich den Umstand bzw. Problem, dass wir ein binäres System haben, Geschlecht aber nicht binär ist, wodurch wir die Realität nicht abbilden und einige Menschen quasi immer ausschließen. Wir können uns definitiv über unsere Regelung freuen, dürfen aber dabei nicht vergessen, dass wir weiterhin der Realität nicht gerecht werden.” 

Ein aktuelle Aufgabe, die Stichweh sieht, ist, dass sich die vorhandene Regelung in Haltungen und im Verhalten von Trainer*innen und Akteur*innen generell widerspiegeln sollte. Dafür sei eine Sensibilisierung und Aufklärung über das Thema notwendig. „Ich wäre zufrieden, wenn wir für unseren Bereich im DHB Dinge voranbringen würden. Super wäre, wenn wir im zweiten Halbjahr eine Trainerfortbildung anbieten könnten, wo die Trainer*innen ihre C-Lizenz verlängern können und das Thema präsent ist. Es ist wichtig, wenn eine junge Sportlerin oder ein junger Sportler sich traut, sich zu öffnen, dass dann Verständnis da ist. Wir wollen auch definieren, wo der größte Handlungsbedarf besteht und wie wir das Thema im Vereinsbetrieb unterbringen können,” ergänzt Wibke Weisel die Aussagen.

Die Arbeit an dem Thema hat bereits Wirkungen über den DHB hinaus. Stichweh und Weisel sind in Austauschprozessen mit dem DOSB, der Deutschen Sportjugend und dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung. Viele Verbände, die noch keine Regelung haben, wenden sich an den DHB. 

Kann die deutsche Regelung auch im internationalen Hochleistungssport funktionieren?

Langfristig gesehen denke ich, dass es auf jeden Fall geht. Besonders im Breitensport kann sich jeder Sport Regelungen überlegen, die fair und inklusiv sind”, antwortete Stichweh auf diese Fragen. Weisel kann sich vorstellen, dass in Sportarten, in denen der biologische Aspekt mehr zum tragen kommt, z.B. offene Klassen angeboten werden. Außerdem schaffe sich das Sportsystem auch eigene Formate, wie GayGames und EuroGames zeigen.

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