„Go to goal - Geh zum Tor!“
26. June 2019
NextCoach-Interview mit Michael McCann zum Thema Stürmer-Mentalität
26.06.2019 - Michael McCann ist aktuell Head-Coach der Mannheimer HC. 2017 gewann er mit seinem Team die Deutsche Meisterschaft auf eigener Anlage. Bis zu den Olympischen Spielen 2016 war er Co-Trainer der HONAMAS, die in Rio Bronze gewannen. Als aktiver Spieler holte er mit Australien Gold bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen. McCann gilt als Genie, was das Offensiv-Spiel angeht und gibt Einblick in den Weg zum Tor, warum er sich mit Besessenheit am langen Pfosten abschießen ließ und wie man Mentalität trainiert.
Zum Aufwärmen fünf Blitzfragen. Wer ist oder war in deinen Augen der beste Stürmer der Welt?
McCann: Jaime Dwyer. Er konnte Torchancen kreieren, Tore selbst schießen und er war unberechenbar. Gleichzeitig konnte man sich als Mitspieler immer auf ihn verlassen.
Weltmeister oder Olympia Gold?
McCann (lacht): Olympia Gold
Sorry, die Frage musste ich aus der Historie heraus stellen. Am Kreisrand oder am langen Pfosten?
McCann: Langer Pfosten!
Schön spielen oder gewinnen?
McCann: Am liebsten beides, aber, wenn ich mich entscheiden muss, gewinnen!
Deutscher Meister 2019?
McCann: Wenn es nach der aktuellen Form geht, dann Mülheim. Aber wenn wir unseren besten Tag haben, sind wir sehr schwer zu schlagen. (Anm. d. Red.: Das Interview wurde vor der DM geführt)
Nun sind wir warm und können uns über die wichtigen Fragen unterhalten: Wie es sich gehört, habe ich mich gestern etwas intensiver mit deiner Spielerkarriere beschäftigt: Stimmt es, dass du in 165 Spielen für Australien 72 Tore geschossen hast?
McCann (lacht wieder): Ziemlich sicher wurden einige vergessen. Schade eigentlich, dass meine Assists nicht gezählt wurden.
Erinnerst du dich noch daran, von wo du die meisten Tore geschossen hast?
McCann: Klar, im Bereich des Siebenmeterpunktes und am langen Pfosten
Du konntest also keine Tore vom Kreisrand schießen?
McCann: Nein.
Wieso?
McCann: Wir hatten andere Spieler, die es besser konnten als ich. Es war nicht meine Stärke.
War dir das von Anfang an klar oder ist es dir erst mit der Zeit bewusst geworden?
McCann: Im Verein konnte ich von überall Tore schießen - in der Nationalmannschaft musste ich mein Spiel umstellen. Mein Job war es, als Mittelstürmer im Siebenmeter-Bereich oder am langen Pfosten irgendwie an den Ball ranzukommen und ihn mit dem letzten Kontakt reinzumachen.
Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften hat Australien pro Spiel vier Tore geschossen, Deutschland nur zwei. Woher kommt es, dass Australien doppelt so viele Tore schießt wie Deutschland? Liegt das den Australiern im Blut – können die Deutschen es gar nicht lernen?
McCann: Zu allererst liegt es an der Mentalität. Australien geht mit der Einstellung ins Spiel, möglichst viele Tore schießen zu wollen, um seinen Gegner zu schlagen. Danach liegt es an ihrem Style. Sie sind aggressiver am Ball und gehen ein höheres Risiko ein. Damit kreieren sie mehr Chancen. Von klein auf wird dir beigebracht, wie du dich um den Siebenmeterpunkt im gegnerischen Kreis verhalten musst. Kreierst du mehr Chancen und weißt, wie du mit ihnen in dem kritischen Bereich umgehen musst, kommt das eine mit dem anderen zusammen.
Wie wird es den Australiern von klein auf beigebracht? Was meinst du genau mit der Aggressivität am Ball?
McCann: Es fängt damit an, dass du ermutigt wirst, Fehler zu machen, und du wirst ermutigt, das Spiel mit 10:0 gewinnen zu wollen. Es wird nicht akzeptiert zur Halbzeit 5:0 zu führen und das Spiel dann mit 5:0 zu beenden. Du hast erst dann ein gutes Spiel gemacht, wenn es am Ende des Spiels 10:0 steht. Die australische Mentalität ist einfach erklärt: Du musst gut sein in dem was du tust. Wenn du in Australien ein guter Hockeyspieler sein willst, musst du Tore schießen.
Das heißt, von Anfang an wird dir beigebracht, dass die Offensive wichtiger ist als die Defensive?
McCann: Auf jeden Fall.
Es wird also gar nicht übers Verteidigen gesprochen?
McCann: Zu meiner Zeit ging es meistens nur darum, möglichst kompakt im Verbund zu verteidigen. Verteidigen war das Werkzeug, um zu Kontern zu kommen und um Torchancen zu kreieren. Es ging nicht darum, das eigene Tor zu verteidigen, um Spiele zu gewinnen.
Wie bekommt eine ganze Hockeynation das eingeimpft? Startet das im jüngsten Alter oder geht es damit los, wenn die Australier in ihr zentralisiertes System kommen?
McCann: Ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen. Den größten Einfluss auf mich hatte die Hockey-WM 1986, als Australien das Endspiel gegen England 2:1 für sich entscheiden konnte. Vor der WM wurde eine VHS-Kassette mit Übungen und Techniken herausgebracht. 90 Prozent des Inhaltes dieser Kassette war: „Wie schießt du Tore?“ Terry Walsh, Colin Batch, Grant Mitton waren sehr gut darin. Für mich war es der Weckruf: Ich wollte genauso gut sein wie diese Spieler damals. Viele Spieler meiner Generation wurden durch dieses Video inspiriert. Ich glaube, das war der erste Schub, den das offensive Hockey in Australien bekommen hatte. Zu der Zeit dominierte Pakistan mit seiner offensiv aggressiven Spielweise, vor allem im Konter. Damit haben sie in den 80ern fast alle Teams geschlagen, außer Deutschland 1992 im olympischen Endspiel, und haben somit diese Zeit mit ihrem Style geprägt. Das hat auch mich und meine Spielweise sehr geprägt.
Wie du schon erwähnt hast, hast du die meisten Tore im Siebenmeter-Bereich geschossen. Über 50 Prozent der Tore der letzten Herren-WM wurden in diesem Bereich geschossen. Was bedeutet das für die Rolle des Stürmers? Was glaubst du, muss man als Stürmer auf internationalem Niveau können?
McCann: Die primäre Aufgabe eines Stürmers ist es Tore zu schießen. Um gut in diesem Siebenmeter-Bereich zu sein, musst du fähig sein, den Bereich zu beeinflussen. Es ist sehr schwer, genau das zu coachen, da sich im Kreis so viele verschiedene Sachen abspielen. Wann komme ich vor meinen Mann, wann bleibe ich weg, wann unterstütze ich, wann schiebe ich meinen Mitspieler weg, damit ich selber an den Ball bekomme? Es passiert einfach sehr viel in dem Bereich vor dem Tor.
Die Topstürmer der Vergangenheit waren in dem Bereich sehr gut. Sie haben es verstanden, den Bereich für sich so zu organisieren, dass Tore gefallen sind - entweder haben sie die Tore selbst geschossen oder es so organisiert, dass andere sie schießen konnten. Sie hatten einfach einen Instinkt dafür und dominierten diesen Bereich. Hast du diesen Einfluss nicht auf deine Mitspieler, dann musst du es für dich selber verstehen. Wann stell ich mich an den Pfosten, wann komme ich in die „Front Position“ oder wann bleibe ich weg? Ich hatte diesen Instinkt glücklicherweise - das macht es für mich aber umso schwieriger es zu coachen, da es für mich natürliche Abläufe waren.
Waren alle Stürmer, mit denen du zusammen gespielt hast, gut in und um den Siebenmeter-Bereich?
McCann: Wir hatten einen Mix von allem: Jamie konnte alles, Travis Brooks war ein „Creator“, Grant Schubert war in dem Siebenmeter-Bereich überragend. Alle wussten, wenn wir nicht treffen, müssen wir etwas kreieren. Unser Job war es, gemeinsam Ergebnisse im Kreis zu erzielen, darauf haben wir zusammen hingearbeitet. Mir war es klar, dass es Spieler gab, die besser waren. Also, war es mein Job sie gewinnbringend einzusetzen. Jeder wusste ganz klar, wo seine Stärken lagen und wie man sie einsetzen konnte.
Heutzutage sind ja alle sehr heiß auf Statistiken und Analysen. Durch diese wissen wir, dass bei den letzten großen Turnieren die meisten Tore im Neunmeter-Bereich geschossen wurden. War es früher auch so, dass alle Tore in diesem Bereich geschossen wurden? Oder hat sich die Rolle der Stürmer geändert?
McCann: Seitdem die Abseitsregel aufgehoben wurde, glaube ich, hat sie sich nicht mehr verändert. Die Hauptaufgabe war schon immer: Wie können wir möglichst effizient vors Tor kommen, um dann maximal viele Spieler in eine gute Abschlussposition zu haben, mit möglichst viel Platz, um zu tun, was man tun will. Wie bekommen wir die richtigen Spieler in gute Positionen, um Tore zu erzielen. Das wird sich nie ändern.
Treffen deine Aussagen und Prinzipien nur auf australische Stürmer zu oder auch auf Stürmer aus anderen Nationen?
McCann: Das ist im Prinzip egal. Schaut man sich die belgischen Stürmer bei der letzten WM an. Sie wollten den Ball so einfach wie es geht in den Kreis bekommen, um danach den Ball dahin zu befördern, von wo die Tore fallen. Logischerweise ist die Art und Weise, die Zweikämpfe im Kreis zu gewinnen, immer unterschiedlich, aber das Prinzip ist das Gleiche. Die argentinischen Stürmer zum Beispiel wollen den Ball so schnell wie es geht in den Kreis in den Neunmeter-Bereich spielen, weil es da gefährlich wird.
Also, treffen dieselben Prinzipien auch auf das deutsche Hockey zu. Auch auf die Bundesliga? Oder ist es nur international so?
McCann: Man sieht es gerade bei Mannschaften, die immer wieder um ihren Platz in der Bundesliga gekämpft haben und es geschafft haben in der Liga zu bleiben: Gerade diese Teams hatten ein bis zwei Stürmer, die gut waren in diesem Bereich. Die Stürmer haben sie gerettet, weil sie vielleicht nur drei bis vier Chancen pro Spiel hatten, aber effektiv waren in der Box.
Wie besessen muss ein Stürmer davon sein, Tore schießen zu wollen, um ein guter Stürmer zu sein?
McCann: Sehr! Du musst dich immer wieder daran messen, wie effizient du in dem Bereich bist. Durch die Besessenheit zerstörst du oft die Struktur im Kreis, weil du immer den Ball haben willst. Aber wenn du diese Mentalität nicht hast, wird es im Kreis schwierig sein, erfolgreich zu sein. Es gibt körperliche Zweikämpfe und Spieler die vor dir stehen; es ist einfach sehr viel los im Kreis. Es muss dich dauerhaft beschäftigen, warum du es nicht geschafft hast, den letzten Pass genau zu spielen, den Schläger zum Stecher hinzuhalten oder den Ball aufs Tor zu bekommen. Es muss eine Besessenheit in dir geben, die dich auffrisst, wenn du nicht erfolgreich warst. Es muss dich bis zum nächsten Training oder Spiel beschäftigen, bis du es besser machen kannst. Das hat nicht jeder, es ist auch sehr schwer jemandem beizubringen, gerade in Deutschland.
Wieso gerade in Deutschland?
McCann: In Australien gibt es mehr Spieler, die ihre Hand hochhalten würden und sagen würden: Ich habe heute nicht genug geleistet, gerade wenn es um das Thema Tore erzielen geht. In Deutschland will man nicht so gerne darüber reden, wenn etwas im Kreis nicht geklappt hat. Man hofft, dass es nicht angesprochen wird und man nicht dafür verantwortlich gemacht wird. In Australien wirst du für jede nicht erfolgreiche Aktion im Kreis verantwortlich gemacht.
Marco Miltkau scheint zurzeit die deutsche Ausnahme zu sein. Er ist zur Zeit der beste deutsche Stürmer in dem Neunmeter-Bereich. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er die richtige Mentalität in diesem Bereich hat und nicht zufrieden mit sich ist, wenn er drei bis vier Chancen bekommen hat und er damit nichts Zählbares für sein Team rausholen konnte. Vielleicht müssen wir uns mit ihm unterhalten, um etwas über deutsche Stürmer-Mentalität zu unterhalten.
Wenn man Dir zuhört, merkt man, wie besessen du immer noch bist, Tore schießen zu wollen. Wie kann es klappen, wenn man drei solche Stürmer hat, die komplett davon besessen sind, Tore schießen zu wollen?
McCann: Es braucht seine Zeit. Am Anfang ist es ein Durcheinander, weil alle den Ball haben wollen. Früher gab es immer zwei Flügelspieler und einen Mittelstürmer. Die beiden Flügelstürmer waren mehr am Aufbau beteiligt, der Mittelstürmer war für die Tiefe des Spiels und den Schusskreis zuständig. Heute ist es anders. Mittelfeldspieler sind im Schusskreis und meistens starten alle drei Stürmer im Kreis. Für mich war es früher viel einfacher, da wir eine sehr gute Verbindung und klare Rollen unter den Stürmern hatten. Es war klar, das ist mein Bereich als Mittelstürmer. War jemand anderes da drin, habe ich ihm gesagt er soll da weg. Ich war verantwortlich für die Struktur in dem Bereich.
Logischerweise ist es heute viel komplizierter, wenn drei Stürmer sich darüber einigen müssen, wer wo welchen Ball bekommt. Und so geht es bestimmt vielen Trainern. Heutzutage gibt es einen viel stärkeren Fokus darauf, wer das Tor schießt. Das macht es noch schwieriger zu sagen: Spielt den Ball in den Bereich, jeder macht seinen Job in der Situation und es ist egal, wer das Tor schießt. Meiner Meinung nach, wird das immer schwieriger, außer die Mannschaft hat die richtige Mentalität und das Gewinnen steht tatsächlich über allem - es ist egal, wer das Tor schießt, wer den Assist gegeben hat, wir machen alle unseren defensiven Job, jeder trägt seinen Teil zum Erfolg bei.
Das war genau die Mentalität, die wir damals hatten. Jedem war klar, wie er wann seinen Teil dazu beitragen kann. Den Belgiern ist es bei der Weltmeisterschaft auch sehr gut gelungen. Das sah von außen sehr reibungslos aus. Die Räume waren klar, die bearbeitet wurden im Kreis, die Rollen schienen auch klar zu sein - jeder wusste, wann es sein Augenblick war, um seinen entsprechenden Job auszuführen. Der Supersturm der Spanier – um Tubau, Freixa und Amat - hat einem damals dasselbe Gefühl verliehen.
Also musstest du, trotz deiner Besessenheit, lernen, mit Spielern wie Jamie Dwyer zusammenzuarbeiten. Bedeutet also Besessenheit ein Tor schießen zu wollen, nicht nur das Ego zu haben, es tun zu wollen, sondern auch die Besessenheit es gemeinsam tun zu wollen?
McCann: Ja absolut! Am Anfang war es bei uns auch schlecht. Jamie wollte jeden Ball haben und alles allein machen. Ich habe ihn zur Rede gestellt und gesagt: Gib mir den Ball und du bekommst ihn zurück. Wenn du auf einen Gegenspieler zuläufst, spiel mich über den linken Fuß an und du bekommst ihn zurück. Wir haben einen Gegenspieler ausgespielt, du hast immer noch den Ball und bekommst einen freien Torschuss. Ich mache die Drecksarbeit. Ich werde immer zum Tor laufen und als erstes beim Rebound sein, immer am langen Pfosten stehen, vor dem Tor lauern, wenn du draufschießt - ich mache meinen Job, mach du deinen.
Wie habt Ihr Eure Verbindungen geschaffen? Habt Ihr nur darüber gesprochen? Du hast gesagt, anfangs war es sehr schlecht und dass es in Australien einen sehr hohen Stellenwert hat, dass Spieler sich in die Verantwortung nehmen für den Bereich. Heutzutage bespricht sich jeder Sturm der Welt, alle schauen sich das Ganze auf Video an und die Stürmer trainieren isoliert ihre Abläufe... Was war Euer Geheimnis?
McCann: Das ist schwierig zu beschreiben. Wahrscheinlich war es meine Eigennützigkeit. Für mich war es sehr wichtig, dass Jaime mich in seine Entscheidungen mit einbezieht. Ansonsten wäre ich nicht gut genug gewesen, um auf diesem Niveau mitzuspielen. Ich musste also einen Weg finden, die Spieler um mich herum zu nutzen, damit ich meine Stärke mit einbringen konnte. Ich war ein sehr dominanter Charakter in unserer Mannschaft. Und gleichzeitig war ich nicht gut genug, um jeden Ball zu bekommen und es allein zu schaffen. Ich musste die ganze Drecksarbeit verrichten und war mir für keinen Laufweg in der Defensive zu schade. Ich habe fast jedes Spiel durchgespielt und ich musste mich immer am langen Pfosten abschießen lassen, um gut genug zu sein, um mitspielen zu dürfen.
Ich habe die Spieler um mich herum genutzt, damit ich eine Chance bekommen habe. Meine Mitspieler haben mich dafür respektiert, obwohl ich nicht ihre Fähigkeiten hatte. Das war die Grundlage dafür, dass sie auf mich gehört haben. Dadurch hat sich eine Kultur entwickelt. Jedem wurde bewusst, wie wichtig es war, dass ich meinen Job gemacht habe. Das war unser Geheimnis. Früher kannten alle nur Jamie - er war der Held. Keiner kannte uns anderen Stürmer. Wir waren unter dem Radar, es gab kein Social Media. Alle waren zufrieden damit. Es war allen egal, weil wir immer gewinnen wollten. Das stand über allem. Jamie war und ist unser „Poster Guy“ gewesen, deswegen nennen wir ihn heute noch „The King“. Und das war völlig okay für uns. Wir waren sehr glücklich und zufrieden mit dem, was wir getan haben.
In meiner Zeit als Co Trainer mit den HONAMAS hatten wir diese fünf bis sechs jungen Talente im Sturm, die heute den Stamm der Mannschaft bilden. Auch sie hatten diese Mentalität. Ich warte nur noch darauf, dass es bei ihnen als Gruppe „klick“ macht. Es sind individuell sehr starke Hockeyspieler, die alle sehr gute Eins-gegen-Eins-Spieler sind, die sich aber automatisch gegenseitig ausschließen, weil sie so gut sind am Ball. Und die Frage ist, wie können sie sich zusammenschließen und jeden daran beteiligen, einen gemeinsamen Plan zu verfolgen: Mehr Give-and-Go, mehr von Stick zu Stick zu spielen, mehr ohne Ball zum Tor zu gehen, mehr selbstlose Arbeit im Neunmeter-Bereich zu leisten, mit Marco zusammen und am Pfosten abgeschossen zu werden, etc. Das kann eine Kultur und Mentalität für die ganze Mannschaft bilden, wenn sie es schaffen, sich zusammen zu schließen.
Unsere 2004er Mannschaft hat vor den Olympischen Spiele in Athen circa 33 Spiele ausgetragen. Wir haben in 18 Spielen in der letzten Minute ein Tor geschossen, um das Spiel zu gewinnen - dies gelang uns nur, weil wir an die Prinzipien und unseren Prozess geglaubt haben. Egal wie der Ausgang des Spiels war, wir wussten, dass wir mit unserer Art zusammenzuarbeiten den Erfolg wahrscheinlicher gemacht haben: Jamie hat weiter aufs Tor geschossen, wir haben uns auf den Neunmeter-Bereich konzentriert und waren bereit für alles, was kam... Das hat aufs Ganze Team ausgestrahlt - wir haben daran geglaubt. Wahrscheinlich ist es auch nur ein Erfolgsmoment in einem Turnier, der den HONAMAS fehlt, damit es „klick“ macht und sie daran glauben lässt, dass das, was sie tun, der richtige Weg ist.
Kommen wir zum letzten Thema: Ich bin ein B-Knabe oder B-Mädchen oder dessen Coach und lese dieses Interview. Was empfiehlst du ihm oder ihr um ein Weltklasse-Stürmer beziehungsweise -stürmerin zu werden?
McCann: Geh zum Tor - stehe nie einfach nur im Kreis rum, wenn der Ball im Kreis ist. Bleib aktiv und geh zum Tor, egal ob du im Mittelfeld spielst und am Kreisrand bist oder ein Stürmer bist. Sei besessen im Kreis, dass du immer der erste am Ball sein willst. Das kann heißen, dass du am langen Pfosten stehst, wenn der Ball in den Kreis gespielt wird, und du ihm entgegenkommst oder, wenn es ein Rebound ist und du als erstes an den Ball gelangen willst - du willst ein Magnet im Kreis sein für Bälle, die frei herumfliegen, um irgendwie mit deinem Schläger dem Ball die entscheidende Berührung zu geben, damit er ist Tor rollt. Es ist egal, wenn du jung bist und du kommst zu oft oder zu früh dem Ball im Kreis entgegen; Du wirst es auf diese Weise besser lernen, dein Timing in den Griff zu bekommen, als wenn du inaktiv bist und immer nur wartest. Diese Besessenheit, die willst du dir möglichst früh aneignen. Wenn du dir das nicht früh aneignest, wird es später schwierig sein, sie zu entwickeln. Es ist einfacher, nochmal in die andere Richtung zu gehen, wenn du einmal diese Mentalität hast, und zu lernen, gemeinam zum Erfolg zu kommen, als wenn dir diese Mentalität gänzlich fehlt.
Und als Coach einer Kindermannschaft? Was kann ich machen, außer ihnen 10 Cent pro Tor zu zahlen - offensichtlich hat das bei dir funktioniert...
McCann (lacht wieder): Das war eines der besten Mittel, um mich so besessen zu machen, wobei wir das vielleicht nicht unbedingt ins Interview schreiben sollten: Ich habe in einem Jahr 117 Tore in 13 Spielen geschossen. Ich habe 11 Dollar und 70 Cent bekommen, was viel Geld war - danach haben wir damit aufgehört. Ernsthaft: Ich glaube das Wichtigste für Trainer ist, dass eine Übung nie aufhört, bis der Ball im Tor landet oder über die Grundlinie ins Aus rollt - egal welche Übung es ist. Wir haben nie aufgehört bei einem Rebound, bei einem Fehlpass im Kreis..., wir mussten jedem Ball hinterhersprinten, um ihn ins Tor zu schießen. Das ist die Mentalität, die du von klein auf entwickeln musst: Nie damit zufrieden zu sein, wenn der Ball im Kreis ist - er muss im Tor sein.
Vielen Dank, Mike, für die Zeit und deinen Input!
Was bedeutet NextCoach?
Vom Personalentwicklungsgedanken zur gemeinsamen zeitgemäßen Denk- und Arbeitsweise
Angefangen hat das Next-Coach-Projekt bereits 2012 als eine Projektplanung des DHB-Steuerungsteams Leistungssport, mit dem Ziel, das talentierteste Trainerpersonal in Hockey-Deutschland so weiter zu entwickeln, dass es den zukünftigen Anforderungen im Leistungssport bereits heute gewachsen ist. Für die Ausbildung dieser Spitzentrainer strebte das Steuerungsteam an, sich von der traditionellen Ausbildungsdenke zu verabschieden und sich stattdessen deutlich mehr in Richtung einer gezielten Personalentwicklung zu bewegen.
Der Kreis der identifizierten Teilnehmer des NextCoach Piloten sind unter der Projektleitung von Ulrich Forstner (Wissenschaft und Bildung) sowohl die hauptamtlichen Bundestrainer Stefan Kermas, Valentin Altenburg, Akim Bouchouchi und Aditya Pasarakonda (Co-Trainer Herren), als auch Markku Slawyk (Bundestrainer U16 weiblich), Andreas Höppner (ehem. Co-Trainer Damen), Matthias Becher (Co-Trainer U21 männlich) und André Henning (ehem. Co-Trainer Damen). Aus dem ursprünglichen Personalentwicklungsgedanken ist inzwischen eine gemeinsame zeitgemäße Denk- und Arbeitsweise geworden.
Diese gemeinsame NextCoach-Denkweise verbindet die NextCoaches auch mit Xavier Reckinger (Bundestrainer Damen) und führt im NextCoach-Kreis zu enger Zusammenarbeit weit über den Austausch hinaus. Die NextCoaches haben sich vorgenommen, ab sofort gezielt in die Hockeywelt hinein zu wirken und dabei NextCoach-Ideen und -Strategien für alle Interessierten zugänglich zu machen. Dieses wird mal in Textform, als Übungssammlung oder wie nun zum Auftakt auch in Form von Interviews oder Podcasts sein.
Valentin Altenburg: "NextCoach heißt für mich auch das Ende vom Trainer als Einzelkämpfer. Es ist eine gemeinsame Haltung und ich würde jedem NextCoach sofort meine Mannschaft anvertrauen."
Über Fragen, thematische Vorschläge und jede Form von Feedback freut sich der stellvertretende Projektleiter: Uli Forstner unter forstner@Deutscher-Hockey-