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Fotocredits: worldsportpics.com / Frank Uijlenbroek

Portrait: Die deutschen Unparteiischen Meister und Göntgen über „ihre“ EM

28. August 2019

27.08.2019 – Mit den Endspielen der Herren (Samstag) und Damen (Sonntag) endeten am vergangenen Wochenende die Hockey-Europameisterschaften 2019. Für die 16 Mannschaften fiel im belgischen Antwerpen der letzte Vorhang der Kontinentalwettkämpfe – und auch für die insgesamt 21 Damen- und Herren-Schiedsrichter, die nun ihre Pfeifen und Kartensätze wieder einpacken konnten. Wir sprachen mit den beiden deutschen EM-Unparteiischen Michelle Meister (Foto 2. v. l.) und Benjamin Göntgen (r.; mit den beiden deutschen Offiziellen, den Judges Daniel Gass und Ulrike Schmidt) über ihre Eindrücke der Belfius EuroHockey Championship 2019. (Fotos: worldsportpics.com/eurohockeytv.org)

Anders als die Nationalspieler erhielten die Schiedsrichter ihre Nominierungen bereits früh. So früh, dass sowohl Michelle Meister als auch Ben Göntgen erst einmal nachdenken mussten, wann denn eigentlich die offizielle Einladung des europäischen Hockeyverbandes EHF in ihrem Postfach lag. Das war im November vergangenen Jahres war. Seitdem passierte bei beiden Unparteiischen so viel, dass die EM schnell wieder in den Hintergrund rückte: Ben Göntgen pfiff bei der Herren-WM im ostindischen Bhubaneswar, war für die Pro League in Argentinien. Michelle Meister reiste für die internationale Serie zweimal nach China. Allesamt sicherlich Highlights einer Schiedsrichterkarriere – aber eben auch kräftezehrend. Die Pro League wurde zu Fluch und Segen zugleich. „Als Vorbereitung waren die internationalen Spiele gut“, attestiert Göntgen, stellt dann aber ehrlich fest: „Nach einer so langen und zeitintensiven Pro-League-Saison mit viel Reiserei ist es gar nicht so einfach, sich für die EM zu motivieren.“

Intensive Pro-League-Saison erschwerte Motivation für EM.

Benjamin Göntgen

Enger Spielplan lässt erst spät Vorfreude aufs Turnier aufkommen

Spätestens, als Meister und Göntgen dann aber im Turnierhotel ankamen, Kollegen wiedersahen und die ersten Turnieransetzungen standen, waren Vorfreude und Motivation wieder zurück. „Sehr schön“ fand Michelle Meister diesmal, „dass wieder ein gemeinsames Turnier mit Damen und Herren stattfand. So konnte ich mir an den freien Tagen auch mal die Herrenspiele anschauen.“ Da störte es die mit über 150 internationalen Einsätzen in Halle und Feld äußerst erfahrene Berlinerin nicht, dass sie erst am dritten Turniertag „an die Pfeife“ durfte. Den Turnierauftakt erlebte Meister stattdessen als Videoschiedsrichterin in der Regie-Box: „Für erfahrene Schiedsrichter ist es leichter, erst im späteren Turnierverlauf auf dem Platz zum Einsatz zu kommen, als für die Unerfahreneren“, so Meister.

Meister und Göntgen auch als Videoschiedsrichter im Einsatz

Das Videoschiedsrichtern forderte Meister und Göntgen dann auch anders, als das Pfeifen auf dem Platz: „Wir verfolgen das Spiel so, als würden wir es selber leiten“, so Meister, „machen uns dabei Notizen und erkennen Situationen, die später von Bedeutung sein können.“ Wurden Göntgen oder Meister dann vom Spielfeld aus angerufen, versuchten sie, anhand des von der Regie gelieferten Bildmaterials, die beste Entscheidung zu treffen, um die Kollegen auf dem Platz zu unterstützen. Die Zuschauer sahen in den TV-Übertragungen und auf den Stadionleinwänden die gleichen Szenen wie die Videoschiedsrichter auf dem Hauptmonitor. Daneben gab es aber noch zusätzliche Monitore, auf die die Regie weitere Kameraeinstellungen der gleichen Szene liefert und die dann eine schnellere und genauere Entscheidung zuließen (Foto unten). Vergaß der Videoschiedsrichter dann, sich diese Bilder auch auf dem Hauptmonitor anzeigen zu lassen, bleiben sie dem Zuschauer allerdings vorenthalten. Nicht vergessen sollten die Videoschiedsrichter aber die Sätze, mit denen sie ihre Entscheidungen ankündigten: „Damit es weltweit einheitlich ist und für Laien am Fernseher verständlich“, erklärt Göntgen. Daher lagen entsprechende Sätze wie ‚There is no clear reason to change your decision.‘ (dt.: Es gibt keinen klaren Grund, die Entscheidung zu ändern) ausgedruckt vor jedem Videoschiedsrichter. „Ansonsten ist der Videobeweis spannend, weil du die Arbeit der Regie mitbekommst, siehst, wie Spiele und Highlights geschnitten werden“, schilderte Göntgen seinen Eindruck.

Als Videoschiedsrichter erkennen wir Situationen, die später von Bedeutung sind

Michelle Meister

Insgesamt positives EM-Fazit

Rückblickend sind die zwei deutschen Schiedsrichter, die beide jeweils viermal auf dem Platz standen, sehr zufrieden mit der EM. „Schade fand ich nur, dass die Zuschauer fernblieben, wenn Belgien nicht gespielt hat“, gab Göntgen zu bedenken, freute sich aber über die Resonanz auf seinen eigenen Einsatz: „Ich hatte nach den Spielen nicht einen Teammanager bei mir sitzen, der über eine Entscheidung diskutieren wollte. Das ist das beste Kompliment.“ Auch Meister genoss es, auf so hohem Niveau zu pfeifen: „Ich persönlich bin mit meiner Leistung sehr zufrieden, meine beiden Umpires-Manager ebenfalls. Insgesamt war das eine gelungene Veranstaltung.“

Und auch obwohl Ben Göntgen mit dem Herren-Finale zum Abschluss ein Highlight an der Pfeife leiten durfte, war der gebürtige Mülheimer in Diensten des Kahlenberger HTC nach der bis dahin intensiven Feldsaison dann doch erleichtert, als die Spiele vorbei waren: „Nach dem Finale war ich total leer, konnte Journalistenanfragen nicht beantworten. Als Schiedsrichter hast du auch einen enormen Druck, das geht auf den Kopf. Da war ich froh, dass ich am Sonntag direkt nach Hause konnte. Um den Kopf frei zu bekommen, hilft es, wenn man die Pause mit dem Job verbringen kann“, freut sich der in Aachen lebende 35-Jährige auf die Zeit ohne den Sport. Ein Wunsch, den Michelle Meister bestens nachvollziehen kann, war sie doch selber erst in der Nacht auf Montag in die über 700 Kilometer entfernte Heimat zur Familie zurückgekehrt. „Ich freue mich auf zwei, drei hockeyfreie Wochen“, so die Welt-Schiedsrichterin von 2018, die aber gleichzeitig schon ein wenig auf die nächste Nachricht vom Hockeyverband hofft: „Die Nominierungen für Olympia stehen an, sollen angeblich in den nächsten Wochen rausgehen. Vielleicht wartet die FIH aber auch noch die Olympia-Qualifikationen ab.“ Dann könnte mit Tokio 2020 das nächste Highlight warten. Doch erst einmal gibt es für die beiden Routiniers an der Pfeife quasi Hockey-Tagesgeschäft – am 7. September startet nämlich die Hockey-Bundesliga.

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